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»Ich will meine Arbeiten nicht bei IKEA verkaufen.«

Mit seiner minimalistischen dreidimensionalen Malerei stellt Jason Martin die Trennung von Skulptur und Malerei in Frage. Der Einfluss des Lichts, das sinnliche Erleben und das Spiel von Farbe und Form stehen bei seinen Arbeiten im Vordergrund. Erste große Resonanz erhielt Martin 1997 im Umfeld der Young British Artists mit der Ausstellung Sensation in der Royal Academy of Art. Seine Arbeiten sind in den wichtigsten Sammlungen vertreten, so zum Beispiel in der Saatchi Gallery in London und im Schauwerk Sindelfingen.

»Als ich zum ersten Mal frisch geernteten Kork sah, war ich wie verzaubert. Ich hatte noch nie einen Stoff mit einer derartig wilden, sinnlichen Oberflächenstruktur gesehen. Das gilt besonders für den sogenannten Jungfrauen-Kork, der von der ersten, etwa zwanzig Jahre nach der Pflanzung durchgeführten Ernte stammt. Kein anderes Material der Erde weist diese Art von unglaublich lebendiger Qualität auf. Ganze Wälder davon zu erleben, war wie eine Offenbarung, denn ich kannte nur die Produkte aus Kork – nicht den rohen Ausgangsstoff.

Dann sieht man die Zahlen auf den nackten Baumstämmen und fragt sich, was sie wohl zu bedeuten haben: Es ist jeweils die letzte Ziffer des Erntejahres. Alle neun bis zehn Jahre wird Kork geerntet und dann wächst er wieder nach. Das Alter des Baumes erkennt man an den Einkerbungen, die die Axt bei den Ernten jeder Dekade hinterlässt. Je mehr man vom Prozess der Korkherstellung versteht, desto faszinierender wird es.

Der im Hochsommer von gelernten Waldarbeitern geerntete Kork wird schließlich überall in der Landschaft gestapelt. Dabei entstehen im ländlichen, landwirtschaftlichen Kontext Objekte, die an moderne Bildhauerei, an die Formensprache des Minimalismus erinnern. Diese kunstvoll errichteten Stapel sind so etwas wie gefundene Skulpturen [„found sculptures“]. Darum erscheint es so naheliegend, diese Objekte aus der Landschaft in einen Galeriekontext zu transponieren.

2008 traf ich in Portugal ein und erwarb ein Stück mit Korkeichen bewachsenes Land. Aus der Sommerernte ließ ich drei Korkstapel herstellen. Diese habe ich mit Farbe transformiert, um dem Bildhauerischen Akzente aus der Malerei hinzuzufügen. So habe ich den graphitfarbenen Kubus „Behemoth“ geschaffen, drei mal drei Meter in seiner Grundfläche, 2,60m hoch. Für einen etwas kleineren Kubus, der etwa 1,80 Kubikmeter groß ist, habe ich ein leuchtendes Blau im Stil von Yves Klein verwendet. Jedes einzelne Stück Kork wurde angesprüht. Es müssen an die 2000 Korkplatten für jede der Skulpturen gewesen sein.

Diese farbigen Korkplatten wurden dann schließlich kunstvoll von den lokalen Landarbeitern gestapelt. Diese Menschen machen das schon ihr ganzes Leben: Eine Form der modernen Kunst. Ich schickte sie auf Tour, und sie installierten ihre Stapel in den White Cubes von Galerien. Mir geht es dabei um mehr als eine Art dekorativer Faszination für den Naturstoff. Mir geht es um eine Ermächtigung des Materials selbst, seiner natürlichen Umgebung und der handwerklichen Kultur, aus der es kommt.

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Jason MartinSaatchi Gallery

Bei den Korkkacheln war meine künstlerische Entscheidung eine der Farbe, der Größe und der Proportion. Der Kork wurde dafür nach der Ernte flach gepresst und nach London verschifft. Dort fügte mein Assistent das Material wie ein Puzzle zusammen, um eine möglichst lückenlose Fläche zu erhalten, so dass der Eindruck eines großen Stücks Rinde entsteht. So als hätte man die gesamte Rinde des Baums einfach geöffnet und flach gewalzt.

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Dann haben wir es in eine traditionelle Kunst-Gießerei versandt, welche die Puzzleteile fest miteinander verbunden und modelliert hat, so dass eine durchgehende Einheitlichkeit entstand. Davon haben sie den Wachsabdruck gemacht, der von einer weiteren, spezialisierten Gießerei für die Kupfer- und Polyurethan-Pressungen verwendet wurde. Ich würde auch gern eine polierte Alu-Version oder eine aus rostfreiem Stahl herstellen. Zur Färbung nutzte ich unter anderem Mikropartikel aus der Töpferei, um den Kork zu einer Art von Keramik zu erweitern, so dass er zu etwas Künstlichem, etwas Jenseitigem wird, das zugleich aus einer alten handwerklichen Tradition stammt.

Diese Kacheln sind zunächst einfach Objekte, die man an der Wand aufhängen kann. Sie sind weder Skulptur noch Gemälde. Es sind Formen. Es ist nicht klar festzulegen. Es ist was es ist. Und es sind Unikate. Ich hatte also nicht die Absicht, diese Stücke öfter zu reproduzieren.

Seit mich jedoch ein Architekturbüro für den Wettbewerb zur Gestaltung des New Guggenheim in Helsinki ansprach, denke ich über die Verwendung der Kacheln als Fassadenelemente nach, um ähnlich wie beim Guggenheim Museum in Bilbao eine biomorphe Form als Spektakel in den Stadtraum zu bringen, eine organische Struktur, die aus der nüchternen Funktionalität der urbanen Umgebung heraussticht.

Ich stelle mir beispielsweise vor, einen transparenten Kork herzustellen, mit pulsierenden Lichtquellen darunter. Man könnte auch irgendeine Form des Pflanzenwachstums an der Fassade fördern, etwa das eines Weines. Selbstredend soll es kein Massenprodukt werden. Ich will meine Arbeiten nicht bei IKEA verkaufen. Es ist viel Aufwand hineingeflossen, und es ist ein außergewöhnliches Material. Also sollte daraus auch etwas Außergewöhnliches werden.

Jenseits all seiner offensichtlichen Vorzüge etwa als natürliche Barriere gegen Waldbrände kommt mir Kork wie eine bizarre Laune der Natur vor. Für mich ist Kork ein Material, das noch viel mehr erforscht und verstanden werden muss. Ein zutiefst geheimnisvoller Stoff. Darum habe ich mich in das Material verliebt – seiner exotischen Natur wegen. Kork verlangt nach einer künstlerischen Interpretation.«

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