Korkeiche und Korkeichenbiotope

»Montado« nennen die Portugiesen die uralte Landschaft, in der die Korkeiche zu Hause ist, in Spanien heißt sie »Dehesa«. Diese wunderschönen, auch touristisch immer beliebteren Kulturlandschaften vereinen offene Wälder mit mehr oder minder dichtem Baumbewuchs, qualitativ hochwertigen Weideflächen und landwirtschaftlichem Anbau mit Fruchtfolge.

Die Korkeichenbiotope gehören zu den biologisch reichsten der Welt und sind gemäß der EU-Habitatrichtlinie im NATURA-2000-Netzwerk aufgeführt. Sie weisen unter den Wald-Lebensräumen eines der weltweit höchsten Niveaus an Artenvielfalt auf. Korkeichenwälder gehören zu den 201 von der UNEP festgelegten Biodiversitäts-Hotspots: Im Mittelmeergebiet finden sich bis zu 25.000 verschiedene Pflanzenarten (viermal mehr als im übrigen Europa), davon 13.000 endemische, d. h. nur in dieser Region ansässige Pflanzenspezies – weltweit die zweitgrößte Zahl, gleich nach dem tropischen Teil der Anden. Neben anderen Bäumen wie Steineichen, Pinien und Eschen wachsen Kräuter, Farne, Heidekraut und Hülsenfrüchte. Korkeichen-Wälder sind bekannt für ihren Pilzreichtum.

Die Korkeiche ist eine von 150 endemischen Baumarten des Biotops. Sie ist der einzige Baum der Erde, dessen Rinde man schälen kann, ohne dass er davon Schaden nimmt – fast als wäre er dafür geschaffen. Eine Korkeiche, deren Rinde regelmäßig geerntet wird, bindet sogar mehr als dreimal so viel CO2 wie eine ungenutzte Korkeiche. Mit einer Fläche von rund 2,3 Millionen Hektar in Portugal, Spanien, Algerien, Marokko, Tunesien und Frankreich fixieren die mediterranen Korkeichenwälder im Jahr rund vierzehn Millionen Tonnen CO2. Allein die Korkeichen Portugals binden fast fünf Prozent der CO2-Emissionen des Landes.

Korkeichen bieten zudem Schutz vor Bodenerosion und helfen so, den Boden zu bewahren. Sie erhöhen die Rate, mit der Regenwasser in den Boden eindringt und das Grundwasserreservoir wieder auffüllt, und sind so für die Wasserversorgung der Region unverzichtbar, zumal sie ungleich weniger Wasser als der Eukalyptus oder Seekiefern verbrauchen. Sie bieten dank der Feuerfestigkeit des Korks Schutz vor Waldbränden.

Korkeichenwälder sind Rückzugsgebiete einiger bedrohter Tierarten wie des Iberischen Luchses, der nur noch rund 100 Exemplarezählt, des Spanischen Kaiseradlers oder des Mönchsgeiers. Im algerischen und tunesischen Korkwald lebt der gefährdete Berberhirsch. Zugleich sind diese Biotope Durchgangsstationen von Zugvögeln und Überwinterungsplätze, z. B. von rund 60.000 Kranichen in der spanischen Extremadura. Die Straße von Gibraltar ist neben der Straße von Messina und dem Bosporus ein »Hauptverkehrsknotenpunkt« im Vogelzug nach und von Afrika.

Korkeichenwälder bilden die wirtschaftliche Lebensgrundlage für über 100.000 Menschen. Allein in Portugal sind über 28.052 Menschen im Korksektor beschäftigt. Eine nachhaltige Ökonomie: Der schonende Umgang mit der Umwelt ist auch wirtschaftlich unverzichtbar. In Portugals hochproduktiven Wäldern liegt der durchschnittliche Ertrag bei 200 bis 250 kg Kork pro Hektar. Pro Korkeiche liegt er bei 45 kg Kork je Ernte. Bei einigen außergewöhnlichen Bäumen ist der Ertrag viel höher. So wurde zum Beispiel der Whistler Tree, die älteste und größte Korkeiche Portugals, im Jahr 1820 zum ersten Mal und inzwischen 20-mal geerntet. Sie produzierte 1200 kg bei der Ernte von 1920 und 650 kg im Jahr 2000. Korkeichen können über 250 Jahre alt werden.

In Marokko, Tunesien und Algerien dienen die Wälder der Bevölkerung zudem zum Gewinn von Feuerholz und Kohle. Hier ist die Korkeiche jedoch durch fehlenden Naturschutz, Dürre und Überbewirtschaftung von Bäumen und Boden vom allmählichen Aussterben bedroht. Bereits drei Viertel der Korkwälder Nordafrikas seien verschwunden, warnt der WWF. Auch das Ersetzen durch Eukalyptus, Oliven und andere, angesichts der Konkurrenz durch alternative Flaschenverschlüssen kurzfristig profitabler erscheinende Nutzpflanzen machen Korkeichenbiotopen zu schaffen – nicht nur in Afrika.

Dank Aufforstungsbemühungen nimmt in Europa die von der Korkeiche besiedelte Fläche seit einigen Jahren wieder zu, in Portugal jedes Jahr um rund ein Prozent. Zertifizierungspläne für Korkwaldbesitzer und Korkverarbeiter helfen beim verantwortungsvollen Management von Korkeichenwäldern. Korkproduzenten haben seither zügig nachhaltige Bewirtschaftungsmethoden umgesetzt und zertifizierte Korkprodukte auf den Markt gebracht.

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